9. Juli 2009

Wer will denn schon ganzheitliche Wohnkonzepte?

Ich habe gestern einen Artikel im Möbelmarkt (März-Ausgabe) gelesen, in dem der Autor ungefähr zehnmal von ganzheitlichen Wohnkonzepten schwärmt. Er will dann außerdem auch noch die Inhalte von Design "vernetzt" definieren und spricht statt von Möbeln lieber von Möbelsystemen. Hhmm ...

Ich bin hier nicht ganz einverstanden - und glaube dass genau hier ein Punkt liegt, an dem die Möbelvermarkter und ihre Kunden total aneinander vorbei reden. Meiner Meinung nach wollen die allermeisten Menschen keine Möbelsysteme und Wohnkonzepte; sie wollen ihrer Individualität Ausdruck verleihen. Das diese erträumte Individualität in der Praxis oft ziemlich angepasst ausfällt - ist den meisten dabei nicht so bewußt. Der Wunsch nach einer Einrichtung mit persönlichem Charakter bleibt. Und dazu gehört dann der geerbte Tisch von Oma, das Regal, das eigentlich maßgeschneidert war für die alte Wohnung, die Küche vom Vormieter und so weiter. Die Leute sind auf der Suche nach Problemlösungen und Inspiration - aber doch nicht nach integrierten Möbelsystemen.

Die Möbelhersteller wollen aber gerne Komplettlösungen verkaufen, denn das ist rentabel. Und dann wundern sie sich, dass keiner Möbel kauft. Und außerdem präsentieren sie uns ihre Möbel dann vor möglichst neutralem Hintergrund, damit sich jeder darin wiederfinden kann. Mit dem Effekt, dass sich niemand in diesen Anti-Produktinszenierungen wiederfinden kann.

Ich weiss ja, dass einige Leute aus der Möbelbranche diesen Blog lesen. Wie wäre es mit einem Kommentar? Und auf der anderen Seite: was wünscht Ihr Einrichtungsliebhaber Euch eigentlich von den Möbelvermarktern?

Dazu auch noch ein Buchtipp: Deutsches Haus von Peter Richter. Unterhaltsam und scharfsinnig.

9 Kommentare:

  1. Hallo!

    Aus Kundensicht sprichst Du mir voll aus dem Herzen. Ich will mir nicht auf einen Schlag eine komplette Wohnzimmer-/Esszimmer-/Schlafzimmerausstattung von der Stange kaufen. Klar soll es zusammen passen, aber ich möchte nicht, dass es aussieht wie in einem Möbelladen-Showroom. Die einzige Ausnahme ist vielleicht die Küchenausstattung. Aber ansonsten wünsche ich mir Möbel, die gut zu kombinieren und flexibel sind. Damit kann ich der Einrichtung zumindest eine kleine eigene Note geben - mit dem geerbten Tisch zu den neuen Stühlen und der selbstgeschreinerten TV-Bank zum Sofa usw. Und ich vermute, dass ich mit dieser Einstellung nicht allein bin :)

    Danke für diesen Beitrag und viele Grüße!
    Juliane

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  2. Ich denke, das hat auch mit unserer Kultur zu tun. Viele Leute konnten sich nichts leisten und haben Jahrzehnte lang mit irgendwelchen alten Erbstücken gelebt. Als sie dann endlich etwas Geld zusammen hatten, musste alles raus und die Komplettlösung her. Mittlerweile haben wir von dieser aber wieder genug und wir möchten mehr Individualität. Der Vintage-Look ist angesagt. Dass die Möbelhersteller das nicht so sehen liegt auf der Hand.

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  3. Toller Beitrag wollte ich noch sagen & Lg aus Graz! :) -Anita

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  4. Da kann ich mich Juliane nur anschließen! Auch mir hast Du aus der Seele gesprochen ;)
    Ich drücke allen Individualisten die Daumen, dass tatsächlich der ein oder andere Möbelbranchen-Insider sich das mal zu Herzen nimmt...

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  5. bin ich deiner meinung - aber obwohl wir auch eine plattform sind bzw. werden ist es nicht unser ziel alles auf einmal und gesamt zu vrkaufen. das was der kunde möchte soll er bekommen - auch wenn das nur ein tisch ist ;)

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  6. Dieser Beitrag war mir eine Herzensangelegenheit und ich freue mich ganz besonders, das er Euch gefällt. Ich habe wirklich klasse Leser!

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  7. Absolute Zustimmung! Wohnkonzept klingt schon nach 80er Jahre Einbaukinderzimmer mit wildem Muster auf der schicken Schlafcouch. Da schüttelt's mich :-)

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  8. Eine Wohnung erzählt immer fast automatisch eine persönliche Geschichte, selbst wenn der Anfang eher einem Katalog mal ähnlich sah. Man sollte da auch nicht zu streng sein, so manch einer braucht das für den Einstieg :-)

    Nichts desto trotz sollten die deutschen Möbelanbieter mal ihre Shootings überdenken. Legt man Kataloge nebeneinander sieht zu Vieles gleich aus. Das ist nicht nur langweilig für diejenigen, die Inspirationen suchen, sondern auch bedenklich, was Austauschbarkeit von Produkten/Marken betrifft.

    Wie war denn das vernetzte Design gemeint? Eher technisch?

    Gruß

    Andrea

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  9. Du hast so recht!! aber irgendwie habe ich auch Mitleid mit den Herstellern - Geschmack lässt sich eben schwer verganzheitlichen...
    Gottseidank!!

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